VBZV-Newsletter 40/2024

I. Medienpolitik

Newszone-App: Klagende Verlage kündigen Berufung an – Landgericht Stuttgart kommt bei unverändertem Sachverhalt zu unterschiedlichen Ergebnissen

Das Landgericht Stuttgart hat in der vergangenen Woche die Klage mehrerer Presse-verlage gegen die App »Newszone« des SWR (in der Version aus dem Frühjahr 2022) abgewiesen. Nach Ansicht der Richter soll bei dem Angebot keine Presseähnlichkeit vorliegen.

https://landgericht-stuttgart.justiz-bw.de/pb/,Lde_DE/Startseite/Aktuelles/Landgericht+Stuttgart+lehnt+Klage+gegen+die+Nachrichten-App+_NEWSZONE_+des+SWR+ab?ifun.de

Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) nimmt das aktuelle Urteil mit Verwunderung zur Kenntnis. Danach will das Landgericht im Hauptsacheverfahren zur Frage der Presseähnlichkeit der Newszone-App keine Presseähnlichkeit der App mehr sehen, obgleich die Kammer – in teilweise anderer Besetzung – in dem vo-rausgegangenen Verfügungsverfahren die Presseähnlichkeit bejaht und dem Unterlassungsbegehren der Verlage stattgegeben hatte.

„Der Sachverhalt ist unverändert“, erklärt dazu Thomas Deicke, CEO „Saarbrücker Zei-tung“ und Vorstand des BDZV-Landesverbands Rheinland-Pfalz und Saarland. „Allein dieser Umstand lässt es geboten erscheinen, dass die klagenden Verlage in die Berufung gehen.“ Dies sei auch deshalb notwendig, weil im neuen Medienstaatsvertrag klargestellt werden soll, dass die Presseähnlichkeit immer bezogen auf das konkret streitbefangene Portal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – hier die App Newszone – zu beurteilen ist. „Und eben nicht auf weitergehende Angebote der Rundfunkanstalt, wie es nun das Landgericht Stuttgart meint“, stellt Deicke klar. Für ebenso unver-ständlich halten es die Verlegerverbände, dass das LG Stuttgart Werbeaussagen des SWR für zulässig erachtet, wonach die App Newszone frei von Werbung ist. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei Werbung in dessen Telemedienangeboten generell verboten, kritisiert die Verlegerorganisation. „Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist irreführend und daher zu unterlassen“, fordert der BDZV.

Darüber hinaus weist der BDZV die Ansicht des LG Stuttgart zurück, dass Tageszeitungsverlage einer „Zwangsschlichtung“ unterworfen sein könnten, bevor sie gegen eine Rundfunkanstalt wegen eines presseähnlichen Telemedienangebots gerichtlich vorgehen wollen: „Diese Rechtsfragen werden vor dem Oberlandesgericht Stuttgart zu klären sein.“

Nachdem der SWR die App aufgrund des Verfahrens zunächst stillgelegt hatte, hatte er sie Anfang dieses Jahres in einer angepassten Form wieder verfügbar gemacht. Auch gegen die App in der Version aus dem Frühjahr 2024 wehren sich die Verlage in-zwischen gerichtlich.

(Quelle: BDZV, PM 14.11.2024; urheberrecht.org, 19.11.2024)

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Google testet Ausschluss europäischer Presseinhalte

Google hat überraschend angekündigt, Inhalte europäischer Verlage in Google News, Google Search und Discover für rund ein Prozent der Nutzer in neun EU-Ländern – darunter Belgien, Dänemark, Italien und Spanien – vorübergehend auszuschließen. Der Test soll laut Google die Auswirkungen der Anzeige von Presseinhalten auf die Sucherfahrung der Nutzer und den Traffic zu Verlagen untersuchen. Die Ergebnisse sollen den Verlagen „objektivere und nützlichere Daten“ liefern. Zeitpunkt und Dauer des Tests sind unbekannt.

Die europäischen Verlegerverbände EMMA und ENPA kritisieren den Schritt in einer Mitteilung scharf. Sie werfen Google vor, europäische Presseinhalte zu unterdrücken, ohne jegliche Absprache mit den Verlagen zu handeln und nicht transparent zu kommunizieren. Der Test wird als "inakzeptable Reaktion" auf die Forderungen der europäischen Presseverleger nach Fairness und Offenheit im digitalen Nachrichtensektor bewertet. Die Verbände prüfen nun, wie sie auf diese Entwicklung reagieren, und fordern Google auf, das Vorgehen zu stoppen, die Sichtbarkeit für die Presseinhalte wieder herzustellen und in einen konstruktiven Dialog mit den Verlagen zu treten. Bereits zuvor hatten EMMA und ENPA davor gewarnt, dass Googles Vorgehen die Meinungsvielfalt gefährde und eine unabhängige Prüfung sowie transparente Kommunikation mit den Verlagen unverzichtbar seien.

(Quelle: enpa.eu, 18.11.2024; bdzv.de, 19.11.2024)

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Frontalangriff auf Geschäftsmodelle freier Presse im Netz: BDZV und MVFP zu Plänen des europäischen Datenschutzausschusses für Leitlinien zu Pay-Or-Consent Angeboten

Mit Sorge verfolgen unser Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverband der freien Presse (MVFP) die Überlegungen des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA), Leitlinien für sogenannte Pay-Or-Consent-Angebote der Verlage zu beschließen.

Die Presseverlegerverbände weisen anlässlich des „Stakeholder Event on Consent or Pay Models“ in Brüssel darauf hin, dass die Erwägung einer verpflichtenden dritten Angebotsvariante keinerlei Grundlage im Datenschutzrecht und dass eine solche Verpflichtung die Finanzierung freier Presse im Netz massiv schädigen würde. Bei dieser dritten Angebotsvariante sollen Leserinnen und Leser für die Zeitungs- oder Zeitschriftenlektüre weder interessenbasierter Werbung zustimmen (Consent) noch eine Zahlung leisten müssen (Pay).
 
„Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der von Pressepublikationen in ganz Europa praktizierten Pay-or-Consent-Modelle steht außer Frage“, erklärten BDZV und MVFP. „Sollte der EDSA auch nur den Anschein erwecken, das Datenschutzrecht verlange, Presseangebote zusätzlich auf einem dritten Weg – ohne interessenbasierte Werbung und ohne Zahlung – abzugeben, würde sich der Ausschuss in verantwortungsloser Weise über die eindeutige Rechtsprechung des EuGH hinwegsetzen. Er würde damit rechtswidrig ideologisierte Politik betreiben. Zudem würde er der freien Presse im Netz sowie der Informationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger einen kaum absehbaren Schaden zufügen. Denn die Verpflichtung auf ein drittes Angebot – ohne Zahlung und ohne interessenbasierte Werbung – bedeutet für die Verlage den Zwang, ihre mit ho-hen Kosten erstellten redaktionellen Produkte – außerhalb von harten Bezahlschranken – gratis oder gegen eine zu geringe wirtschaftliche Gegenleistung abgeben zu müssen.“

1.    Damit, so BDZV und MVFP weiter, seien zunächst die im Wesentlichen werbefinanzierten Presseangebote nicht mehr finanzierbar, die Millionen Menschen als wichtige und vielfach unverzichtbare Grundlage ihrer Information und Meinungsbildung dienen. Betroffen wären einerseits Leserinnen und Leser, die sich digitale Presseabonnements nicht leisten können oder wollen und auf ihre bislang über Pay-or-Consent finanzierte Presse vollständig verzichten müssten. Aber auch diejenigen Nutzer, die Pay-or-Consent-Publikationen zusätzlich zu bestehenden Pres-se-Abonnements nutzen, würden diese weitergehenden redaktionellen Informatio-nen verlieren.
2.    Aber auch Publikationen, die zunehmend und wesentlich auf digitale Abonnements setzen, würden beschädigt. Die allermeisten Pay-Angebote haben einen über Pay-or-Consent Modelle zugänglichen Angebotsteil, der häufig eigenständige publizis-tische und ökonomische Funktion hat, in jedem Fall aber essenziell für die Werbung von Abonnenten ist. Zudem können Consent-or-Pay Modelle auch unabhängig von der Frage der Zuordnung redaktioneller Inhalte zu Bezahlinhalten zur Fi-nanzierung der Publikationen beitragen.

Insgesamt gilt über alle Angebotsarten hinweg, dass beide Finanzierungssäulen, Leserumsätze und Werbeumsätze, je für sich unverzichtbar sind. Jeder Umsatz wird benötigt, um die äußerst schwierige Transformation zu einer im Wesentlichen oder vollständig aus Digitalumsätzen finanzierten freien Presse zu meistern. Dafür sind auch die vielfach praktizierten Consent-Or-Pay-Angebote erforderlich.

(Quelle: BDZV, PM 18.11.2024)

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EU: Erneute Wettbewerbsstrafe von 800 Millionen Euro gegen Meta verhängt

Die Europäische Kommission hat erneut eine Geldbuße gegen Meta wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängt.  Diesmal muss der Facebook-Mutterkonzern 797,72 Millionen Euro zahlen, weil es seinen Online-Kleinanzeigendienst Facebook Marketplace mit seinem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook verknüpft und ande-ren Anbietern von Online-Kleinanzeigendiensten unfaire Handelsbedingungen auferlegt hat.  

Das US-Unternehmen kündigte umgehend an, die Entscheidung anzufechten. Im März hatte die EU-Kommission bereits eine Wettbewerbsstrafe von 1,8 Milliarden Euro gegen Apple verhängt. Dem US-Unternehmen wurde vorgeworfen, seine marktbe-herrschende Stellung für den Vertrieb von Musik-Streaming-Apps an iPhone- und iPad-Nutzer über seinen App Store zu missbrauchen. Auch gegen Google sind Bußgelder in Milliardenhöhe verhängt worden.

In einer Mitteilung der Kommission heißt es, dass Meta mit den folgenden Maßnah-men seine marktbeherrschende Stellung missbraucht und gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen hat:

  • Verknüpfung seines Online-Kleinanzeigendienstes Facebook Marketplace mit sei-nem persönlichen sozialen Netzwerk Facebook: Aufgrund dieser Verknüpfung haben alle Facebook-Nutzer automatisch Zugang zu Facebook Marketplace, der ihnen – ob sie dies wünschen oder nicht – auch regelmäßig angezeigt wird. Die Kommission hat festgestellt, dass Wettbewerber von Facebook Marketplace auf diese Weise vom Markt ausgeschlossen werden könnten, da Facebook Marketplace durch die Verknüpfung von einem wesentlichen Vertriebsvorteil profitiert, den an-dere Anbieter nicht ausgleichen können.
  • Einseitiges Auferlegen unfairer Handelsbedingungen für andere Anbieter von Online-Kleinanzeigendiensten, die auf den Plattformen von Meta, insbesondere den sehr beliebten sozialen Netzwerken Facebook und Instagram, Werbung treiben: So kann Meta Werbedaten, die von anderen Werbetreibenden erzeugt werden, ausschließlich zugunsten von Facebook Marketplace nutzen.

Im Juni 2021 leitete die Kommission das förmliche Verfahren wegen möglicher wettbewerbswidriger Verhaltensweisen von Facebook ein. Im Dezember 2022 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an Meta, auf die das Unternehmen im Juni 2023 antwortete.

(Quelle: EU-Kommission, PM 15.11.2024)

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II. Junge Leser

Medienkompetenz stärken: Bayerischer Lehrermedientag setzt auf Digitale Resilienz

Aus ganz Bayern nahmen wieder zahlreiche Lehrkräfte am Lehrermedientag der bayerischen Zeitungen teil, der am 20. November 2024 als Livestream durchgeführt wurde. Bereits zum 8. Mal bot die Veranstaltung, angeboten von 16 unserer bayerischen Mitgliedsverlage, Fachvorträge und spannende Diskussionen rund um aktuelle Medienthemen.

Das zentrale Thema war „Digitale Resilienz“. In einer Zeit, in der Menschen permanent mit Nachrichten konfrontiert werden, ging es darum, wie man informiert bleibt, ohne sich von negativen Schlagzeilen überwältigen zu lassen. Die Psychologin und Journalistin Mareike Makosch widmete sich in ihrem Vortrag der Frage, warum schlechte Nachrichten oft so stark auf uns wirken und wie man sich dennoch bewusst informiert halten kann. „Wer Nachrichten kritisch hinterfragt und sich nicht von der Flut an Negativmeldungen vereinnahmen lässt, bleibt nicht nur besser informiert, sondern schützt auch seine psychische Gesundheit“, erklärte Makosch.

Simon Hurtz, Journalist und Dozent, erläuterte die Funktionsweisen von Algorithmen auf Plattformen wie TikTok und Instagram. Er zeigte auf, wie dieses Wissen Lehrkräf-ten hilft, ihre Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierten Umgang mit sozialen Medien anzuleiten. „Nur wer die Mechanismen hinter den Plattformen versteht, kann eine verantwortungsvolle Nutzung fördern“, so Hurtz.

Der Livestream wurde in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und der Mediaschool Bayern realisiert und stieß auf große Resonanz. Auch in digitaler Form konnte der Lehrermedientag seinen Anspruch erfüllen, Lehrkräfte zu unterstützen und zur Förderung der Medienkompetenz in Schulen beizutragen.

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III. Aus den Verbänden

Stephan Scherzer verlässt den Medienverband MVFP

Stephan Scherzer, seit 2011 Hauptgeschäftsführer des Medienverbands der freien Presse (MVFP), wird den Verband Ende November 2024 verlassen. Scherzer und der MVFP-Vorstand um den Vorsitzenden Philipp Welte hätten sich darauf „freundschaftlich und im besten gegenseitigen Einvernehmen geeinigt“, teilte der Verband mit.

Die hauptamtliche Struktur und das entsprechende Team sollen vorerst unmittelbar beim MVFP-Vorstand liegen. In diesem Zuge wird Detlef Koenig zusätzlich zu seinem Vorstandsmandat die Aufgabe als geschäftsführender Vorstand übernehmen. Koenig ist innerhalb des Vorstands ohnehin für alle organisatorischen Themen und Prozesse verantwortlich. Er ist seit vielen Jahren im MVFP bzw. dem Vorgängerverband und den Regionalverbänden aktiv und seit April 2022 MVFP-Vizepräsident. Im Hauptberuf steuert er als Geschäftsführer den mhp Verlag aus Wiesbaden, einem medizinischen Fach-verlag.

Mittelfristig soll ein fester Nachfolger für die Position des MVFP-Hauptgeschäftsführers gefunden werden.

Stephan Scherzer kam 2011 von der International Data Group (IDG) aus San Francisco als Hauptgeschäftsführer zum damaligen Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Die größte Errungenschaft dieser Zeit ist neben einer starken Profilierung des Verbandes im Bereich Digitalisierung die mit einer umfassenden Strukturreform verbundene Transformation des VDZ in den MVFP.

(Quelle: MVFP, PM 20.11.2024; DNV, 20.11.2024))

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